Selbsthilfe im Wandel - Generationswechsel und Digitalisierung eröffnen neue Chancen

„Ist die Selbsthilfe heute noch zeitgemäß oder ist sie gerade heute wichtig für die Gesellschaft, für die einzelnen Mitglieder und wie werden junge Menschen erreicht?“ Auf diese Frage des REHAB-Teams haben die engagierten Mitstreiterinnen der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Selbsthilfe aus Stuttgart sofort ganz viele Antworten: Bärbel Kehl-Maurer, Vorstandsvorsitzende der LAG und ihre Stellvertreterin Brigitte Stähle (Mukoviszidose e.V.) sind überzeugt davon, dass die klassische „Selbst-Hilfe“ im Sinne von Lebenshilfe und gegenseitiger Unterstützung der Betroffenen ihre Rolle verändert hat hin zu einer selbstbewussten „Selbst-Vertretung“.

Von links nach rechts: Bärbel Kehl-Maurer, Vorstandsvorsitzende der LAG Selbsthilfe BW; Dr. Werner Jost (Hörgeschädigte BW), Beisitzer; Hans-Jürgen Hillenhagen, Schatzmeister; Karlheinz Schneider (BBSV), Beisitzer; Brigitte Stähle (Mukoviszidose e.V.), stellvertretende Vorsitzende

Gemeinsam stark mit politischen Forderungen

„Es geht um Empowerment, die Stärkung aller Beteiligten; Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten müssen ganz selbstverständlich ihre gleichen Rechte einfordern und wahrnehmen. Man kann regional Lebensräume vor Ort gestalten, Probleme und Lösungen miteinander teilen, sich in schlechten Zeiten weiterhelfen, man begegnet sich auf Augenhöhe und hat soziale Kontakte.“ Aber, so sind sich die kämpferischen Vorstände einig, gehört es auch zur Aufgabe der Selbsthilfe, aufmerksam zu machen auf Missstände. „Altersarmut als Folge einer lebenslangen „Kinderpflege“ aufzuzeigen, führt zur logischen Forderung nach Entlohnung von Pflegeleistungen durch Angehörige, nach Kurzzeitpflegemöglichkeiten und nach Wohn- und Lebensraum- Angeboten für Erwachsene mit Behinderungen. Hier ist Ehrlichkeit der Gesellschaft gefragt, wie wollen wir umgehen mit den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft, stehen immer nur die Kosten im Vordergrund?“

Sich zeigen, sichtbar werden ... auch auf großen Messen

Silvia Gallant, Projektleiterin Selbstvertretung bei der LAG, betreut die „Junge Selbsthilfe“. Das Projekt heißt „Zeigt Euch – von der Selbsthilfe zur Selbstdarstellung“ und greift den Alltag von jungen Menschen mit Behinderungen auf. „Sie brauchen eine barrierefreie Sprache im Internet und bei öffentlichen Stellen, Transparenz an inklusiven Schulen, sie müssen ihre Bedürfnisse leben können. Wenn ich in der Schule keine Vielfalt habe, keine Inklusion gelebt wird, fehlen Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung Erfahrungen und positive Vorbilder.“

Auf der REHAB Karlsruhe im Forum Halle 3 steht am Samstag (24.5.) die „Junge Selbsthilfe“ auf dem Programm, am Freitag (23.5.) geht es um das Thema Patientenbeteiligung und am Eröffnungstag rückt der Landesaktionsplan Baden-Württemberg in den Fokus. Hier wurden Beteiligungsprozesse und konstruktive Vorschläge von der LAG Selbsthilfe erarbeitet, allerdings, so bedauert Silvia Gallant, gehe es nur sehr langsam voran.

Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) wird zum 70. Jubiläum digital

Egal ob Computer, Tablet oder Handy. Egal ob E-Mail, Video-Chat oder Nachricht über Soziale Netzwerke. Beratung und Austausch zu den Themen Selbsthilfe, Inklusion und Teilhabe werden immer digitaler.

Jasmin Paul vom BSK freut sich auf die digitale Zukunft des Vereins

„Unser BSK e.V. startet daher pünktlich zum 70-jährigen Jubiläum eine eigene App. Diese bringt Ehrenamtliche, Mitglieder und Hauptamtliche aus ganz Deutschland zeitlich flexibel und ohne weite Fahrwege zusammen. Unter dem Motto "Alles kann, nichts muss" bietet die BSK-App in erster Linie Möglichkeiten zum Netzwerken, Austauschen und Weiterbilden. Alle können ihr eigenes Nutzerprofil anlegen und dann ganz individuell in die gewünschten Vereinsaktivitäten eintauchen. Neben verschiedenen Chaträumen, einer Pinnwand mit Such- und Verkaufsangeboten, einem Terminkalender und einer Landkarte, auf der die einzelnen BSK-Standorte für den persönlichen Kontakt zu sehen sind, ist Vereins- und Beratungsarbeit in geschlossenen Gruppenräumen geplant. Durch das neue App-Angebot bringen wir im BSK die Selbsthilfe-Arbeit also buchstäblich in die eigenen vier Wände – nah an die Menschen, die den digitalen Weg mit uns gemeinsam gehen wollen.“

70 Jahre aktive Gemeinschaft

Peter Reichert, Pressesprecher des BSK Krautheim, kennt die REHAB seit über 30 Jahren und möchte die Bedeutung der Teilnahme von Selbsthilfeverbänden wie dem BSK an großen Messen wie der REHAB Karlsruhe unterstreichen.

Peter Reichert betont:

„Solche Veranstaltungen bieten uns eine einzigartige Plattform, um das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Rechte von Menschen mit Körperbehinderungen zu schärfen und die wertvolle Arbeit der Selbsthilfe zu fördern. Der Austausch von Erfahrungen und die persönlichen Gespräche, die auf diesen Messen möglich sind, spielen dabei eine zentrale Rolle. Gerade heute ist der BSK unverzichtbar – als starker Interessenvertreter, der die Anliegen seiner Mitglieder auf politischer Ebene vertritt und maßgeblich dazu beiträgt, Barrieren abzubauen und Inklusion zu fördern. Gleichzeitig ist unser Verband ein Bindeglied für die vielen ehrenamtlich Engagierten in den Städten und Gemeinden, die vor Ort Unterstützung leisten, Vernetzung schaffen und den Betroffenen eine Stimme geben. Die Arbeit des Verbands schafft eine Gemeinschaft, die nicht nur fordert, sondern aktiv gestaltet. Und das bereits seit 70 Jahren.“